Ostern – Wie entstand das Auferstehungs-Gerücht?

Michael Allgemein


– – Überlegungen zu der Behauptung, dass Jesus auferweckt worden sei – –

Der Ostergruß der russischen Christen ist weltbekannt: „Christos woskres!“ Das bedeutet: „Christus ist auferstanden!“ Und die traditionelle Antwort lautet: „Wo istino woskres!“ – „Er ist wahrhaft auferstanden!“

Können Sie sich guten Gewissens dieser Behauptung anschließen? Oder verlangt es eben die Tradition, dass man kein Spielverderber sein will und – zumindest an Ostern – diese Festtags-Ansicht stillschweigend übernehmen sollte?

So einfach sollten wir es uns nicht machen! Wir müssen es schon genau wissen: Haben die Christen recht mit ihrer Osterbotschaft?

Und deshalb gibt der folgende Artikel Anregungen, mit welchen Fragen man sich aus verschiedenen Blickwinkeln an das Ereignis annähern kann, um der Wahrheit auf die Spur zu kommen.

1 . Was hängt von der Auferstehung Jesu ab?

Wieso kann Paulus sagen: „Wenn Christus nicht auferweckt wurde, dann ist unsere Verkündigung leer, und leer ist auch euer Glaube“ (1 Kor 15,14)? Offenbar ist es nicht egal, ob Jesus auferweckt wurde.

Die Gründe:

  • Jesus selbst machte die Wahrheit seiner Aussagen vom „Zeichen“ seiner Auferstehung abhängig (Mt 12,39.40). Das hat weitreichende Folgen: Wir können nur dann Endgültiges über Gott wissen, wenn Jesus auferweckt wurde!
  • Die Tatsächlichkeit und Geschichtlichkeit der leibhaftigen Auferweckung ist eine Grundvoraussetzung für den christlichen Glauben; für Paulus hing die Glaubwürdigkeit des Evangeliums davon ab (1 Kor 15)!
  • Wenn Jesus nicht auferweckt wurde, hat Gott ihn nicht als den verheißenen Messias und Retter bestätigt (Röm 1,3.4; Apg 2,36). Dann ist er auch nicht der Weg zu Gott.

2 . Vorsicht Selbstüberlistung!

Wenn Jesus nicht auferweckt wurde, sollten wir unser Bekenntnis zu ihm sofort aufgeben!

Wenn er aber auferweckt wurde, dann wurde er von Gott ganz eindeutig bestätigt. Das heißt aber auch: Dann führt kein Weg an seinem Anspruch vorbei; wir müssen ihn unbedingt kennen lernen und eindeutige Konsequenzen ziehen. Es geht also keineswegs um eine Kleinigkeit.

Wer zu einem fundierten Urteil kommen will, muss mit einer grundsätzlichen Offenheit das Quellenmaterial befragen. Diese „grundsätzliche Offenheit“ bedeutet vor allem: Wir sollten darauf verzichten, unsere eigenen begrenzten Erfahrungen und Wirklichkeitswahrnehmungen zum Maßstab dafür zu machen, was damals geschehen sein kann.

Um gründlich vorgehen zu können, sollten wir uns aber zunächst einmal klarmachen, worum es überhaupt geht, wenn hier von der „biblischen Auferstehungsbotschaft“ die Rede ist. Es stellt sich deshalb aus methodischen Gründen die wichtige Frage:

3 .  Was ist eigentlich der Inhalt der biblischen Auferstehungsbotschaft?

Das Urbekenntnis der Christen im ersten Jahrhundert finden wir in einem Brief des Paulus. Dieser Text (1 Kor 15,1-11) nennt vier Grundvorgänge:

  • „Christus ist gestorben (A),
  • wurde begraben … (B),
  • wurde auferweckt … (C),
  • erschien … (D).“

4 .   Das Alter unserer ältesten Informationsquellen

Der 1. Korintherbrief wurde etwa im Jahr 56 n. Chr. geschrieben – also ca. 25 Jahre nach dem Ereignis.

Aber der entscheidende Text ist wesentlich älter: Das darin zitierte „Urevangelium“ (1 Kor 15,3b-5b) wurde schon etwa 5 Jahre nach dem Ereignis formuliert, also zu einer Zeit, als die meisten Augenzeugen noch lebten.

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5 .   Gab es Zeugen für diese Vorgänge?

Allerdings! Aber wir müssen genauer hinsehen, für welche Vorgänge welche Zeugen genannt werden (vgl. Ortwin Schweitzer; s. unten angegebene Literatur).

Die Frage heißt also: Welche Zeugen werden in der Bibel für die Vorgänge, die Paulus in diesem „Urbekenntnis der Christen“ erwähnt hat, genannt? Außerdem sollten wir als fünften Punkt noch die Sache mit dem leeren Grab in unsere Untersuchung einbeziehen, weil diese Behauptung auch immer wieder erwähnt wird.

Dann ergibt sich folgende Übersicht:

Vorgang A / B: Tod und Begräbnis
Anzahl der Zeugen: viele Zeugen (Mk 15)

Vorgang C: Auferstehung
Anzahl der Zeugen: keine Zeugen

Vorgang D: Begegnungen mit dem Auferstandenen
Anzahl der Zeugen: mehr als 500 Personen, 18 davon namentlich bekannt (1 Kor 15,3-8; Gal 1,12.15.16; Mk 1; Mt 28; Lk 24; Apg 1,4-8. 21-23; 9,3-9; Joh 20,21).

Vorgang E: Das leere Grab
Anzahl der Zeugen: 6 Personen

Das bedeutet aber:

  • Es werden also Zeugen für die Voraussetzungen und die Auswirkungen der Auferweckung (A, B, D, E) genannt,
  • nicht aber für den Vorgang selbst (C).

Dieses Ergebnis ist zunächst einmal überraschend. Es legt als Hypothese die Vermutung nahe:

  • Von einer Auferweckung, die eine schöpferische Tat Gottes wäre, könnten wir Menschen offenbar nur das erkennen, was „in unsere Menschheitsgeschichte hereinreicht“.

Dafür wurde ein interessanter Begriff geprägt: Diesen Sachverhalt hat man als den „historischen Rand“ des Ereignisses bezeichnet (Ortwin Schweitzer; s. unten angegebene Literatur).

6 .   Die Ausgangssituation vor dem Ereignis

Für die meisten Leute in Jerusalem – übrigens auch für die Jünger (!) – bedeutete die Kreuzigung zunächst:

  • Gott selbst hatte sich gegen Jesus und seinen Messias-Anspruch ausgesprochen, da nach dem Gesetz (5 Mose 21,23) ein Gekreuzigter von Gott verflucht ist.

Die Jünger mussten also zu dem Schluss kommen: „Wir haben uns in Jesus gründlich getäuscht!“ Und eine Änderung dieser Situation war nicht zu erwarten.

7 .   Wie entstand nun das Auferstehungsgerücht?

Denkbar ist zunächst, dass ein Gerücht, dass Jesus auferweckt worden sei, durch Wunschträume, Einbildungen oder Visionen entstanden ist.

Wir finden dafür aber keinen Anhaltspunkt in den Texten des Neuen Testaments, die in ihrer Wortwahl klar zwischen subjektiven Visionen (z. B. Apg 16,9; 18,9; 22,17.18) und allgemein wahrnehmbaren Begebenheiten (z. B. Apg 9,3-8) unterscheiden.

Kein Jude wäre auf die Idee gekommen, sich über die Autorität der Tora hinwegzusetzen und einen Menschen, der offensichtlich von Gott verflucht war, eigenmächtig als den von Gott Erhöhten zu proklamieren.

Und die Jünger? Sie erwarteten ebenfalls keine Auferstehung, sonst hätten sie sich ganz anders verhalten:

  • Der Leichnam wurde einbalsamiert (Lk 23,56). Wer eine Auferstehung erwartet, macht das nicht.
  • Die Jünger reagierten mit Ratlosigkeit, Überraschung, Unglauben und Entsetzen auf alle Ereignisse, die man als Hinweis auf eine Auferstehung hätte verstehen können:
    – verschwundener Leichnam (Lk 24,3),
    – Engelbegegnung (Lk 24,4),
    – Erscheinung des Auferstandenen (Lk 24,36.37)
  • Angesichts des leeren Grabes kamen die Jünger nicht auf die Idee, Jesus könnte auferstanden sein (Mk 16,5-8; Lk 24,24); Maria denkt vielmehr an einen Leichendiebstahl (Joh 20,2.11.13).

Vor allem Paulus hatte keinen Anlass, sich Jesus, den er gar nicht persönlich kannte, als Auferstandenen einzubilden (Apg 9,3-9).

Sogar der Auferstandene selbst stieß bei seinen (ehemaligen) Jüngern zunächst auf Unglauben (Lk 24,21.38.41; Mk 16,14; Mt 28,17). Die Texte verheimlichen diesen – eher peinlichen – Umstand nicht.

Die Vielzahl der Erscheinungen innerhalb kurzer Zeit hätte nur durch viele voneinander unabhängige, aber trotzdem inhaltsgleiche Visionserlebnisse entstehen können, was unwahrscheinlich ist.

Unter der Schockwirkung der Kreuzigung dachte offensichtlich keiner der Jünger mehr an die Vorhersagen Jesu über seine Auferstehung. Als Juden erwarteten sie zwar die Auferstehung aller Toten am Ende der Zeiten, jedoch keine Einzelauferstehung.

Ergebnis:

  • Es gab also gar keine „gespannte Auferstehungserwartung“, aus der sich entsprechende Halluzinationen hätten entwickeln können.

8 .   Erschien Jesus nur solchen Leuten, die sowieso schon an ihn glaubten?

  • Paulus war ein entschiedener Gegner Jesu (Gal 1,13.14; Apg 26,5), als er dem Auferstandenen begegnete.
  • Jakobus, der Bruder Jesu, gehörte überhaupt nicht zu den Jüngern (vgl. Mk 3,21; 6,3.4; Joh 7,5). Offenbar wurde er erst durch die Erscheinung (1 Kor 15,7) ein Jesusjünger.
  • Aber die übriggebliebenen elf Jünger? Bei ihnen übersieht man leicht die Tatsache, dass auch sie nach der Kreuzigung gar keine glaubenden Jesus-Anhänger mehr waren.

Ergebnis:

  • Die Annahme, dass alle, die den Auferstandenen sahen, bereits Nachfolger waren, trifft nicht zu.
  • Vielmehr gilt: Alle, die den Auferstandenen sahen, kamen dadurch zum Glauben.

9 .   Wieso erschien er gerade diesen Personen?

Die Auswahl der Auferstehungszeugen traf Jesus also nicht nach dem Kriterium der Gläubigkeit. Vielmehr erschien er nur denen, die er für den apostolischen Dienst erwählt hatte (Gal 1,15.16; vgl. Joh 20,21).

Das ist auch der Grund, warum er keinen „Show-Auftritt“ in der Öffentlichkeit veranstaltete; diese Zurückhaltung entspricht seinem gesamten Vorgehen von Anfang an (Lk 4,9-12).

10 .   Eine geschickte Irreführung?

Denkbar, aber eher unwahrscheinlich, denn:

  • Die Jünger konnten absolut nicht damit rechnen, dass man ihnen eine solche Auferstehungsgeschichte, die nicht im Denkhorizont ihrer Zeitgenossen lag, überhaupt abnehmen würde.
  • Die Evangelien berichten, dass die Auferstehungszeugen nur zögernd glaubten. Hätten sie andere um jeden Preis von ihrer Darstellung überzeugen wollen, dann hätten sie diese Peinlichkeit sicher verschwiegen.
  • Die Auswahl der angeführten Auferstehungszeugen erscheint willkürlich und keineswegs durchdacht; in einer konstruierten Darstellung hätte man sicherlich prominentere Jünger auftreten lassen (z. B. Nikodemus) und nicht Personen, die auch in der Gemeinde keine leitende Funktion hatten (Lk 24,13-32).
  • Die Evangelien-Berichte machen nicht den Eindruck, als seien sie zur Beeindruckung der Leser verfasst worden; es geht ihnen offensichtlich darum, die Ereignisse mit allen ihren Merkwürdigkeiten festzuhalten. So kommt es, dass sie in der Ungereimtheit ihrer Nebenaussagen die ganze Verwirrung und Hilflosigkeit jener Tage nach der Kreuzigung noch widerspiegeln.

Ergebnis:

  • Die Jünger hätten sich sicher eine beeindruckendere Geschichte ausgedacht, wenn sie damit die Leute von Jerusalem hätten überzeugen wollen.

11 .   Wie war das mit dem leeren Grab?

  • Die Tatsache des leeren Grabes wurde nicht einmal von den Gegnern der Jesusanhänger bestritten.
  • Die ersten Zeugen des leeren Grabes besaßen nach jüdischem Recht keine amtliche Glaubwürdigkeit: Sie waren nämlich Frauen. (Wohl aus diesem Grund werden sie von Paulus [1 Kor 15,3-8] gar nicht als Zeugen angeführt.) Für eine bewusste Fehlinformation hätte man glaubwürdigere Zeugen erfunden.
  • Die Auferweckungsbotschaft hätte sich keinen Tag in Jerusalem halten können, wenn der Leichnam Jesu noch vorhanden gewesen wäre und die Gegner ihn hätten vorzeigen können.
  • Diese Nachricht ist auch deshalb nicht erfunden, weil sie überhaupt nicht als Beweis präsentiert wird: Gerade angesichts des leeren Grabes entstanden unter den Jüngern die unterschiedlichsten Vermutungen (Joh 20,2-13); ihre Verwirrung nahm sogar noch zu (Mk 16,8; Lk 24,11.12.22).

12 .   Eine Nacht- und Nebelaktion der Jünger?

Eine erfundene Behauptung, dass das Grab leer sei, wäre nicht überzeugend gewesen, da sie keineswegs eindeutig ist. Die jüdischen Behörden deuteten das leere Grab ganz anders: Sie behaupteten nämlich, die Jünger hätten den Leichnam weggeschafft (Mt 28,11-15).

Auch diese Möglichkeit muss geprüft werden. Daher stellt sich die Frage: Wer kam überhaupt für einen Leichendiebstahl in Frage?

  • Die Römer hatten keinen Anlass, in religiöse Auseinandersetzungen einzugreifen, solange nicht römische Interessen bedroht waren.
  • Alles, was die Diskussion über Jesus verlängert hätte, war den jüdischen Behörden unerwünscht.
  • Und die Jünger hatten am allerwenigsten Interesse daran, durch einen Leichendiebstahl ins Rampenlicht zu geraten.

Durch eine solche Aktion hätten die Jünger aus mehreren Gründen sich selbst in eine angreifbare Situation hineinmanövriert:

  • Leichenraub war auch durch römische Gesetze verboten. Vermutlich war das der Grund, warum sie sich einschlossen, nachdem sie vom leeren Grab erfahren hatten (Joh 20,19).
  • Das Grab war bewacht (Mt 27,62-66). Wie hätten die Jünger die Wache überwältigen sollen?
  • Die Jünger wären später wohl kaum bereit gewesen, für ein Evangelium zu sterben (z. B. Apg 12,2), dessen erlogene Entstehungsgeschichte sie kannten.

Ergebnis:

  • Der Diebstahl wäre für die Jünger genauso sinnlos gewesen wie die Verbreitung eines erfundenen Auferstehungsgerüchtes.

13 .   Und wenn er überhaupt nicht tot war?

  • Auch die Gegner der Jesusanhänger gingen davon aus, dass er tot war. Andernfalls hätten sie die Auferstehungsgeschichte mit dem Hinweis auf Jesu unerwartetes Überleben sofort ersticken können.
  • Die römischen Soldaten, die für seine Hinrichtung verantwortlich waren und davon etwas verstanden, hielten Jesus für tot und vergewisserten sich durch einen Lanzenstich (Joh 19,33.34).
  • Ein für tot gehaltener Gefolterter, der einbalsamiert und in Tücher eingewickelt im Grab wieder zum Bewusstsein gekommen wäre, hätte nicht die Kraft gehabt, sich aus den Tüchern zu befreien und dann den schweren Stein vor dem Grab wegzuschieben.
  • Die Begegnung mit einem Menschen in einem solchen Zustand hätte weder den Glauben an einen Auferstandenen und an dessen Sieg über den Tod hervorrufen noch die Jünger zu neuen Menschen machen können, wie es außerdem bis heute Millionen erlebt haben (2 Kor 5,17-21).
  • Der Tod Jesu ist das bestbezeugte Ereignis im ganzen Neuen Testament.

14 .   Was nun? Wenn diese Überlegungen einleuchten und Jesus tatsächlich von Gott auferweckt wurde, …

  • … dann ist jede Uminterpretation (z. B. „Die Auferstehung geschah nur ‚im Glauben‘ der Jünger.“) gefährlich.
  • … dann ist das Evangelium ernst zu nehmen. Dann stellt sich nämlich die Entscheidungs-Frage: Wie reagiere ich auf den Anspruch und das Angebot des Retters Jesus Christus?

Literatur:

  • H. Hempelmann, Die Auferstehung Jesu Christi – eine historische Tatsache?, Brockhaus-Verlag, Haan 2003 (1982), ISBN 3417295041
  • O. Schweitzer, Beweise mir Gott! Ein Buch über Denken und Glauben, Hänssler-Verlag, Neuhausen-Stuttgart 1978, ISBN 9783775110365
  • W. Freudenberg, Ist er wirklich auferstanden?, Brockhaus-Verlag, Wuppertal 1977
  • H. Lamparter, Erschienen ist der herrlich Tag, Burkhardthaus-Verlag, Gelnhausen 1956

Der Autor dieses Artikels:

Rolf-Dieter Braun (geb. 1953) ist Diplom-Theologe und Mitarbeiter des Missionswerks Jugend mit einer Mission (JMEM). In der JMEM-Gemeinschaft in Hurlach (Oberbayern) engagiert er sich zusammen mit seiner Frau u. a. im Familiendienst-Team von JMEM.

 

Reihe: Artikel-Archiv „Hurlacher Texte“ Nr. 10

Quelle: Dieser Text ist die überarbeitete Neufassung eines Artikels, der von Rolf-Dieter Braun unter Benutzung der Untersuchungen, die als Literatur genannt sind, zusammengestellt wurde und erstmals in der Zeitschrift DER AUFTRAG (Ausgabe Nr. 23; S. 20 und 21) erschien. – Kontakt: braun@jmem-hurlach.de